Warum Wildenloh-KANTATE?
von Thomas Pehlken
"Warum bezeichnen Sie Ihre innovative Kirchenmusik als Kantate ?" wurde der Verlag Wildenloh kurz nach seiner Gründung im August 2000 gefragt. Der Hintergrund der Frage liegt auf der Hand: Mit der Bezeichnung "Kantate" verbindet man alles andere als innovative Musik. Man denkt an Barockmusik und zuallererst natürlich an Johann Sebastian Bach, dann aber auch an Telemann, Buxtehude und andere norddeutsche Meister. Wir haben uns mit dieser Frage beschäftigt und auch versuchsweise nach möglichen Alternativen gesucht. Vielleicht etwas Englisches? Das klingt immer modern und wird statt mit Bach eher mit moderner Popmusik assoziiert. Oder eine lateinische Bezeichnung? Das hätte gleich etwas Elitäres ...
Bleiben wir aber bei unserer Musik, deren Form und Besetzung, dann ist das, was wir in der Partitur sehen und später hören werden, nichts anderes als eine Kantate. Es ist weder eine Beat-Messe noch ein Musical und ein Song schon gar nicht. Der Begriff "Kantate" geht auf das lateinische "cantare" (singen) zurück, aber nicht gleich jedes Singstück wurde Kantate genannt. Es handelte sich immer um mehrsätzige Vokalkompositionen, die ursprünglich sowohl für den weltlichen Bereich ("cantata da camera") aber auch für die Kirche ("cantata da chiesa") geschaffen wurden. Erst mit Bach wurde die Kantate zum Inbegriff protestantischer Kirchenmusik.
Und da liegt das nächste Problem. Unsere Kantaten-Reihe ist von Anfang an ökumenisch konzipiert worden - wohl wissend, dass es in der Katholischen Kirche keine Tradition der Kantate gibt. Während wir nun also der Evangelischen Kirche eine weitere Kantaten-Reihe anbieten und das reiche Kantatenrepertoire lediglich ergänzen, sehen wir uns bei den katholischen Schwestern und Brüdern mit einem Neuanfang konfrontiert. Bei der Konzeption haben wir katholische Theologen, Liturgen und Kirchenmusiker um Rat gefragt und viele Anregungen aufgenommen sowie katholische Besonderheiten berücksichtigt. Auch hier fragte man: "Warum Kantate ?".
Der Verlag Wildenloh sah nach gründlicher Überlegung keinen gravierenden Grund, die Bezeichnung "Kantate" zu vermeiden. Bitte verstehen sie diese Wortwahl nicht als historisierend, schon gar nicht als Hommage an die reiche evangelische Tradition oder als Hinweis auf besonders kunstvolle Musik. Die Wildenloh-Kantate ist einfach im musikwissenschaftlichen Sinne nichts anderes als eine Kantate, so wie der "Roman" literaturwissenschaftlich definiert ein Roman ist, auch wenn es bei Goethe, Dostojewski oder Joyce große Unterschiede gibt.
Diese Seite wurde zuletzt am 2006-08-21 aktualisiert.
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